Der Erste Weltkrieg – Motor für die Emanzipation der Frau?!

„Das Weib muss gebildet werden, damit der deutsche Mann nicht durch die geistige Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit seiner Frau am häuslichen Herd gelangweilt und in seiner Hingabe an höheren Interessen gelähmt wird.“ 1 Dieser Versuch zu erklären, weshalb Frauen gebildet werden sollten, die im patriarchischen Kernfamilienideal eine untergeordnete Rolle hatten, kommt von den Gründern des deutschen Branchenvereins. Diese Ungleichheit des patriarchischen Systems ist tief in der sozialen, rechtlichen und politischen Ordnung verankert. Den Männern waren das Berufsleben und die öffentliche Sphären vorbehalten, während die Frauen im Haushalt und in der Kindererziehung tätig waren. Hauptsächlich vor der Ehe arbeiteten konstant 35% der Frauen im Kaiserreich aus den unteren Bürgerschichten. Sie waren meistens in der Landwirtschaft tätig. Allerdings war im Bürgerlichen Gesetzbuch (trat am 1.1.1900 in Kraft) verankert, dass der Mann das alleinige Recht hatte Entscheidungen zu treffen, die das gemeinschaftliche Leben der Ehe beeinflussen. Somit war für die Frau ab der Ehe  meist ein Arbeitsverbot die Regel, da sie nur im häuslichen Raum Geschäfte des Mannes erledigen durfte um ihn zu vertreten.

Schon nach der Französischen Revolution 1789 kann man den Beginn der Frauenfrage festhalten. In Frankreich gab es „les droits pour les hommes“, was so viel wie Menschenrechte heißt. Jedoch heißt „les hommes“ „die Männer“, weswegen man diese Rechte auch als Männerrechte sehen kann, zumal in diesen Rechten kein Wahlrecht für Frauen verankert ist. Als Reaktion auf diese „Männerrechte“ schrieb eine junge Französin, Olympe de Gouges, ein Buch: „La Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne“. Sie sagte dazu: „Die Frau hat das Recht das Schafott besteigen. Sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen.“1 1793 starb sie durch die Guillotine.

Ab der 1848er Revolution war die Frauenfrage auch in Deutschland ein öffentlicher Streitpunkt, denn schon 1843 wurde die erste deutsche Frauenbewegung von Louise Otto-Peters gegründet. Sie war davon überzeugt, dass „die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates […] nicht ein Recht, sondern eine Pflicht [ist].1 Etwas später, nach der Gründung dieses Vereins, brachte Louise Otto-Peters die erste Frauenzeitung auf den Markt. 1859 war die Reaktion darauf das „Lex Otto“. Dieses Gesetz beinhaltete das Verbot für Frauen, Zeitungen herauszugeben. Aber auch solch einen Rückschlag steckte die Frauenrechtlerin nicht ohne Reaktion ein. Sie rief 1865 zur „Konferenz der Schwächsten und Schwachen, der deutschen Frauen1 auf. Bei dieser Konferenz wurde die ADF (allgemeiner deutscher Frauenverein) gegründet. Der §1 der ersten deutschen Gleichstellungsinitiative besagt, dass „die Arbeit […] eine Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts [ist].1 Außer der ADF wurde der Lette-Verein gegründet. Er wurde „zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts1 vom Sozialpolitiker Adolf Lette gegründet. Sehr erstaunlich ist hier, dass ein Mann, der im patriarchischen System aufgewachsen ist, Partei für die Frauen ergreift. Als nun die Industrialisierung die soziale Frage mit sich brachte, war die Frauenfrage keine Frauenfrage mehr. Sie wurde zur Existenzfrage. Ohne die Arbeit der Frauen, hätten die Familien nicht überleben können. Durch den frühen Tod vieler Männer, die unter den schlimmsten Bedingungen arbeiten mussten, waren 1867 nur noch 48,5%  der Frauen verheiratet. Der Rest war zum selbstständigen Arbeiten gezwungen. 1898 arbeitete die Hälfte aller Frauen, meist die unverheirateten, außer Haus oder bei schlecht bezahlter Heimarbeit. Neben dieser Arbeit war es eine gängige Weise Geld zu verdienen, sich zu prostituieren, was man nicht unbedingt als Fortschritt in der Frauenemanzipation sehen kann. Doch neben diesem Rückschritt gab es auch Fortschritte: Der Bund deutscher Frauen (BDF) gewann immer mehr Mitglieder und forderte unter anderem das Frauenstimmrecht und eine bessere Bildungsmöglichkeit für Frauen.


Helene Lange (1848-1930)

war eine führende Akteurin

der deutschen Frauenbewegung

Hinter diesen Forderungen stand auch Helene Lange, eine Mädchenpädagogin (1848-1930), die für sechs junge Frauen einen Traum wahr werden ließ. Helene Lange setzte sich gegen viele Lehrer, Direktoren und Politiker durch und erreichte somit für diese sechs Frauen eine Abiturprüfung im Jahr 1896. Alle bestanden die Prüfung, mit zum Teil besseren Ergebnissen als die Männer dieses Jahrganges. Ab 1906 konnten Mädchen regulär ein Lyzeum besuchen und das Abitur ablegen. Ab 1908 hatten Frauen die Möglichkeit, politischen Vereinen beizutreten. Und all dies ist unter anderem Helene Lange zu verdanken.  Im Januar 1912 waren die Reichstagswahlen durch die Gewinne SDP und der erneuten Forderung nach einem Frauenstimmrecht geprägt. Als Reaktion auf diese Forderung wurde der „deutsche […] Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation1 gegründet, was einen Rückschlag für die Frauenbewegung bedeutete. Auch vom restlichen Staat konnte man keine Unterstützung zur Bildung von Frauen erwarten. Es im ganzen Reich 656 Schulen für Mädchen. Jedoch waren gerademal 213 davon öffentlich. Trotz vieler Versuche, der Frau eine gleichberechtigte Rolle zuzuschreiben, war die Zeit vor dem ersten Weltkrieg vom patriarchalischen System geprägt.

 


BILDUNTERSCHRIFT?? / WOHER IST DAS BILD??

Um die Frage nach der Wirkung des Ersten Weltkrieges auf die Emanzipation der Frau zu beantworten, muss zunächst die Situation während des Krieges geklärt werden. Im November 1918 wurde das Frauenwahlrecht für den Reichstag und die Parlamente verabschiedet. Natürlich könnte ein Grund hierfür die Einsicht des männlichen Geschlechts über die Fähigkeiten der Frau sein, jedoch liegt näher, dass aus der Not heraus gehandelt wurde. Immer mehr Männer zogen in den Krieg, die Frauen blieben zu Haus. So waren sie es, die allmählich in Entscheidungen einbezogen werden mussten um einen funktionierenden und einheitlichen Staat zu sichern. Nicht zuletzt auch weil Frauen vermehrt die Berufe ihrer in den Krieg gezogenen Männer erlernten. Es fehlte an männlichen Arbeitskräften. Zu den anfangs typischen Berufen der Frau, wie beispielsweise das Nähen von Uniformen oder die Arbeit als Krankenschwester, kamen nun die untypischeren: Feuerwehrfrauen, Bahnarbeiterinnen, Polizistinnen, usw. Die Bezahlung der Frauen war jedoch nicht gleich hoch wie die der Männer. So wurden Frauen und Männer in den gleichen Berufen unterschiedlich bezahlt. Dies führte zu den ersten Unruhen in der weiblichen Arbeiterschaft, die nicht zuletzt als Antrieb der folgenden Frauenbewegungen waren. Auch nicht zuletzt die unwürdigen und äußerst gefährlichen Arbeitsbedingungen, welchen Frauen beispielsweise beim Bau der Sprengstoffbomben ausgesetzt waren, gaben genug Zündstoff für den Unmut in der weiblichen Bevölkerung. Der Bau der Sprengstoffbomben galt als einer der gefährlichsten Berufe, da hier ohne Schutzkleidung oder gar Sicherheitsmaßnahmen gearbeitet wurde. So lässt sich stark vermuten, dass das Wahlrecht der Frau im Jahre 1918 aus der Not und nicht aus dem Verstand der Herrschenden verabschiedet wurde. Zumal ein Jahr zuvor  die Armeeverwaltung „weibliche Hilfskräfte für die Armee im Felde“ aufnahm, da auch hier das Potenzial an männlichen Arbeitskräften zurückging. So kämpften auch Frauen diesen Krieg, wenn auch auf eine andere Art und Weise, und stabilisierten das Bild der friedlichen Heimat, die hintern den Soldaten stand und ihnen Mut zusprach.


BILDUNTERSCHRIFT??? WOHER IST DAS BILD?

Obwohl Frauen während des Krieges und vor allem gegen dessen Ende benötigt wurden, um an der Front zu dienen und die Berufe auszuüben, die sonst Männern zugeschrieben wurden, sollten sie nach diesem „Ausnahmezustand“ wieder ihre alten Rollen annehmen und somit auch ihre Stellung in der Gesellschaft. Da viele Männer vom Krieg gezeichnet nach Hause zurückkehrten, waren sie auf fremde Hilfe angewiesen. Daher halfen viele Frauen ihren behinderten und verletzen Männern, wodurch auch ihre gesellschaftliche Rolle verstärkt wurde. Trotzdem brachte der Krieg auch grundsätzliche Veränderungen für das Leben der Frauen mit sich. So wurde in Deutschland unmittelbar nachdem der Krieg vorbei war, im Jahre 1918,  das Frauenwahlrecht für Frauen über 30 Jahren eingeführt. Auch wurde das durch die jahrelange Familienpolitik angereicherte Wissen der Hausfrauen höher angesehen und zu Gunsten der Gesellschaft genutzt. Zudem war die Anzahl weiblicher Gewerkschaftsmitglieder nach dem Kriegsende viel höher als zuvor. Natürlich waren nicht alle Frauen von einer Verbesserung ihrer Lebenssituation betroffen und viele von Ihnen waren Leidtragende. Vor allem Frauen aus den unteren Schichten litten unter den Erfahrungen, mit welchen sie dem Kriegsende entgegenblickten.

 

Allgemein gesehen kann man sagen, dass der Krieg vielleicht der Motor für die Frauenbewegung war, da sich durch eben jenen Krieg die alten Bilder der Kernfamilie verschoben haben und der Krieg das Frauenwahlrecht mit sich brachte.  Jedoch war die Emanzipation der Frau nicht die Erfindung des Krieges, sondern entstand schon in den aufschäumenden Wellen der Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg.

Schlussendlich lässt sich über die Rolle des weiblichen Geschlechts in der Gesellschaft sagen, dass diese, aus welchen Gründen auch immer, mehr und mehr an Gewicht erlangte und ihnen wichtige Aufgaben zur Erhaltung des Staates und der Gesellschaft zuteilwurden. Sie bestritten ihren Kampf an der Heimatfront, wodurch das Verlangen, die alten Muster von sich zu werfen, stetig anstieg und der aufkommenden Frauenbewegung immer mehr Aufwind bot.

 

 

1 zitiert nach „der Spiegel“ Nr. 3/2013 S.90-93 „Die bürgerliche Feministin“

 

 

Literatur